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Aktuelles von der BBG
Aus dem Quartier
Eine ganz besondere Nachbarschaft - Hilfe, Ausflüge und viel Austausch: In der Reuterstraße leben
drei Generationen gemeinschaftlich zusammen

Wie eine vertraute Nachbarschaft das Leben erleichtert und bereichert, das zeigte sich schon in den ersten Tagen – beim Einzug in die Reuterstraße 5 und 6. Wer könnte mir kurz mal eine Bohrmaschine leihen? Wer hat das Knowhow, eine Lampe anzubringen? Wer ist so freundlich, ein Regal mit aufzubauen und den neuen Fernseher einzustellen? „Solche Fragen lassen sich hier schnell beantworten“, erzählt Regine Neue. „Die Hilfsbereitschaft untereinander ist groß – egal, ob man Backzubehör braucht oder einen speziellen Dübel. Ich habe mir sogar schon mal eine Gitarre ausgeliehen, als meine eigene kaputtgegangen war.“

Drei Generationen leben seit Dezember 2022 im ehemaligen Seniorenzentrum Reuterstraße: Singles, Paare und Familien im Alter von 4 bis 76 Jahren. Viele von ihnen haben sich über das „Netzwerk Gemeinsam wohnen“ gefunden. Sie wünschten sich ein gutes nachbarschaftliches Miteinander: Hilfe bei alltäglichen Dingen und in besonderen Situationen, regelmäßigen Austausch und viele gemeinsame Aktionen. Bei monatlichen Treffen und kleinen Ausflügen lernten sie sich bereits im Vorfeld kennen und besprachen, was ihnen wichtig ist.

Ein langjähriger Kontakt zur BBG ermöglichte dann, geeignete Räume mitzugestalten. In den beiden ruhig gelegenen, verkehrlich gut angebundenen Häusern leben nun 31 Personen in 19 Wohnungen mit Balkon oder Dachterrasse. Dazu gibt es eine Gemeinschaftswohnung. Hier treffen sie sich zum Beispiel zum Kochen, zu Yoga, Feiern oder Spiel- und Filmabenden. Jeder bringt seine Talente und Interessen ein. Von Beginn an gibt es eine Offenheit, miteinander in Kontakt zu sein.

Das gemeinschaftliche Wohnen ist auch geprägt durch Spontanität. Themen-Gruppen im Messenger Signal ermöglichen einen schnellen Austausch. Thea Dittmann etwa meldet sich regelmäßig, wenn sie über eine Foodsharing-Webseite Lebensmittel vor der Vernichtung gerettet hat. Dann stehen zum Beispiel plötzlich drei Kisten voller Äpfel in der Küche. Und eine Gruppe trifft sich spontan, schnippelt und bereitet sie zu Chutney oder Apfelmus zu. Anschließend wird am langen Holztisch gegessen. Über die Gruppen kommen auch viele Aktivitäten in Gang. Mittagessen in der Kaufbar, Carmina Burana im Theater, Banksy-Ausstellung in Hannover, Ausflug nach Potsdam: Wer kommt mit? Und schon geht’s los. Thea Dittmann wohnt mit ihrem Partner in der Reuterstraße. Läuft im Alltag mal etwas anders als geplant, kann die 35-Jährige darauf zählen, dass sich jemand um ihren vierjährigen Sohn Vincent kümmert. „Es gibt ja diesen Spruch: Man braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen“, sagt sie. „Hier habe ich dieses Dorf gefunden.“ Gerade sprang wieder Jürgen Tuschen ein, als der Kindergarten geschlossen war. Der 66-Jährige ist auch einer der viel gefragten hilfsbereiten Handwerker im Haus. Im Keller, der die beiden Häuser verbindet, steht sein jüngstes Werk: ein Holzhalter für Rechen, Besen, Schaufel und Kehrblech. Dass die Gemeinschaft Ressourcen schont und Dinge verleiht, schätzt er. Die Nachbar:innen eint ökologisches Denken. So hat die BBG hinter dem Haus zwei Ladesäulen für E-Autos eingerichtet. Vor dem Haus wird Carsharing angeboten. Gemeinsam genutzt werden auch Saugroboter, Hometrainer und Waschmaschinen.

„Ich lebe allein“, erzählt Jürgen Tuschen. „Hier sind immer Menschen, mit denen man sich schnell verabreden kann – und zu denen man sagen kann: ‚Ich muss dir mal was erzählen.‘ Das habe ich mir immer gewünscht. Einmal im Monat trifft sich ein Debattierclub. Mir macht auch die Koch-AG viel Spaß.“

Ingrid Klein, die nebenan wohnt, erzählt von regelmäßigen „Wir-Tagen“. Entspannungsübungen, über Bücher sprechen, spazieren gehen, singen: Kleine Gruppen widmen sich dem, was ihnen Spaß macht. „Jede Gruppe bringt dann etwas mit oder führt etwas vor. Wir sangen zum Beispiel ‚Über den Wolken‘, begleitet von einer E-Gitarre. Das war so ansteckend, dass viele weitersangen. Durch diese Tage wachsen wir zusammen und lernen uns noch besser kennen.“ Alle 14 Tage findet zudem eine Hausversammlung statt. Da wird geplant und auch mal angesprochen, was besser werden könnte. 31 Personen aus drei Generationen, das bedeutet natürlich Meinungsvielfalt. „Wo gibt es keine Beziehungsprobleme?“ so Ingrid Klein. „Wir setzen uns damit offen auseinander. Der Austausch ist auch mal emotional. Das gemeinschaftliche Wohnen ist ein ständiger Lern- und Entwicklungsprozess.“ Etwa auch bei Nähe und Distanz. Möchte jemand, der von der Arbeit kommt, vielleicht erst mal eine Weile für sich sein? Das Gespür füreinander wird immer besser. Dafür sorgt das Bindende: die Bereitschaft, zusammen für eine schöne Zeit zu sorgen – in einem Haus, in dem keine Fremden wohnen. Ein geschätzter Treffpunkt ist inzwischen auch die Wiese hinter dem Haus, neben einer Sandkiste. „Schön war zum Beispiel, als wir im Sommer nach einer Radtour noch Wein getrunken haben. Wir frühstücken hier auch öfter mal und feiern draußen Geburtstage“, erzählt Regine Neue. „Die Sandkiste heißt jetzt Reutercabana.“